UN-Konvention für Menschen mit Behinderung - Frauen und Mädchen müssen benannt werden!

Internationale Flaggen vor dem UN-Gebäude
Foto: Clipart

Seit 2001 wird in den Vereinten Nationen an einer Konvention zur Förderung und dem Schutz des Rechtes und der Würde von Menschen mit Behinderung gearbeitet. Dies ist für Menschen mit Behinderung ein Meilenstein in der Geschichte, waren ihre Benachteiligungen bislang nur selten als Menschenrechtsverletzungen angesehen oder behandelt worden. Der vorgelegte und inzwischen vielfach überarbeitete Entwurf umfasst ein breites Spektrum an Rechtsbereichen wie bürgerliche, politische, ökonomische, soziale und kulturelle Rechte.

Allerdings blieben die spezifischen Benachteiligungen von Frauen und Mädchen mit Behinderung bis Anfang des Jahres 2005 leider unberücksichtigt. Für Frauen mit Behinderung ein unhaltbarer Zustand, da sie in vielen Bereichen nicht nur im Vergleich zu nichtbehinderten Frauen und Männern, sondern auch zu behinderten Männern weltweit vielfältige Benachteiligungen erfahren.

Diese Erkenntnis findet jedoch - auch auf UN-Ebene - nur sehr langsam ihren Niederschlag in allgemeinen Regelwerken. Die UN-Konvention zur "Verhinderung aller Formen der Diskriminierung von Frauen" (Convention on the Elimination of all Forms of Violence against Women - (CEDAW)) nimmt auf die Berücksichtigung von Frauen mit Behinderung lediglich im Anhang Bezug, die Pekinger Aktionsplattform (Beijing Platform for Action) benennt sie als Zielgruppe immerhin bei den zu ergreifenden Maßnahmen.

Als Argument gegen eine spezifische Benennung von Frauen mit Behinderung wird oftmals angeführt, dass mit Regelungen für Frauen auch Frauen mit Behinderung erfasst sind, entsprechende Maßnahmen auch ihnen zu Gute kommen.

Die Realität ist jedoch eine andere, da weder die spezifische Situation noch das Gebot der Barrierefreiheit auch nur annähernd ausreichende Berücksichtigung finden. Frauen und Mädchen mit Behinderung sind als Zielgruppe - sofern sie nicht explizit benannt werden - einfach nicht "im Blick". So tauchen sie in den Berichten der Staaten zu der Situation von Frauen auch so gut wie nie auf.

Entsprechend wichtig ist daher die explizite Berücksichtigung ihrer Situation in der "Behinderten"-Konvention. Dabei reicht eine allgemeine Verpflichtung zu Gender Mainstreaming alleine nicht aus. Vielmehr müssen die spezifischen Belange von Frauen und Mädchen mit Behinderung in allen relevanten Artikeln der Konvention - wie zum Beispiel zu Gesundheit oder Gewalt - ausdrücklich benannt werden.

Darüber hinaus bedarf es eines eigenen, allgemeinen Frauen-Artikels, um auch in Ländern, in denen die Gleichberechtigung der Frau generell noch nicht auf der Tagesordnung steht, in denen Gender Mainstreaming noch ein absolutes Fremdwort ist, einer weiteren Diskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderung in allen Bereichen - und nicht nur in den genannten Artikeln - entgegen zu wirken.

Auch werden bei einem eigenen Artikel zu Frauen entsprechende Institutionen wie zum Beispiel Frauenministerien mit auf den Plan gerufen, was einer geschlechtsneutralen bzw an Männern orientierten Umsetzung der Konvention entgegen wirken kann.

Erste Erfolge wurden erzielt

Nachdem einzelne Frauen schon lange auf die fehlende Berücksichtigung von Mädchen und Frauen in der Konvention hingewiesen hatten, kam durch eine gemeinsame Kampagne von Netzwerk Artikel 3 vertreten durch Dr. Sigrid Arnade und dem Sozialverband Deutschland (SoVD), vertreten durch Sabine Häfner noch einmal Schwung in die Debatt.

Um die weitere Erarbeitung der Konvention im Sinne der Benennung der Frauenbelange zu begleiten, gründete sich auf der 6. ad-hoc-Sitzung der Konventionserarbeitung im August 2006 in New York ein internationaler Zusammenschluss behinderter Frauen, dem auch das Weibernetz, vertreten durch Brigitte Faber, angehört.

Unterstützung erhielten die Frauen in der weiteren Arbeit von vielen recht unterschiedlichen Seiten, so unter anderem durch

sowie von einer wachsenden Zahl von Regierungsdelegationen, allen voran Deutschland und Korea.

Freude über den ersten Erfolg

Am Ende der 7. ad-hoc-Sitzung im März 2006 wurde recht schnell deutlich, dass die intensive Lobbyarbeit nicht umsonst gewesen war. Es gab bei den Regierungsdelegationen eine breite Zustimmung für die ausdrückliche Berücksichtigung von Frauen (so wie auch von Kindern) in der Konvention.

Als sehr hilfreich für die Arbeit hatten sich dabei die ausgezeichneten internationalen Kontakte von Dinah Radtke und Lydia la Riviére-Zijdel erwiesen. Auch verstand es Theresia Degener als offiziell benannte Vermittlerin für die strittigen Positionen zu dem "Frauenthema", konträre Positionen einander näher zu bringen.

Und nicht zuletzt wird die Verhandlungsführung des Vorsitzenden Mr. Don MacKay dazu beigetragen haben, dass die Positionen behinderter Frauen und Männer Gehör gefunden haben. Denn er hat den Nichtregierungsorganisationen zu jedem Artikel eine halbe Stunde Rederecht eingeräumt. Es ist zu wünschen, dass dieses Beispiel Schule macht, da so genau die Menschen bei der Schaffung von Konventionen gehört werden, die letztendlich den Nutzen von den Regelungen haben sollen.

Der nach der 7. ad Hoc Sitzung überarbeitete Entwurf des Vorsitzenden Mr. Don MacKay sieht die Berücksichtigung - zwar nicht explizit von Frauen - aber immerhin von Gender-Aspekten zu folgenden Artikeln vor:

  • Bewusstseinsschaffung
  • Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch
  • Gesundheit
  • Nationale Umsetzung und Monitoring

Auch ein eigenständiger Frauenartikel ist in dieser Überarbeitung enthalten; dessen genauer Wortlaut jedoch ebenso zur Debatte steht wie die Frage, ob er nicht doch in den Artikel zu den "Allgemeinen Übereinkünften" als ein Unterpunkt übernommen werden soll.

Weitere Artikel müssen überarbeitet werden

Dies sind erste große Erfolge - jedoch kein Grund sich zurückzulehnen. Damit die Konventionen nicht nur in einigen, sondern in allen Bereichen Frauen und Männern mit Behinderung in gleichem Umfang zu Gute kommt, müssen dringend weitere Artikel entsprechend überarbeitet werden. Dies sind die Artikel zu

  • Erziehung
  • Arbeit und Beschäftigung
  • Teilnahme im politischen und öffentlichen Leben
  • Internationales Monitoring

Auch sind erzwungenen Sterilisation als auch Abtreibung sowie die Genitalverstümmelung auf Grund von starken Widerständen seitens einiger Regierungsdelegationen noch nicht als zu benennende Menschenrechtsverletzungen anerkannt.

Und die endgültige Aufnahme des eigenständigen Artikels ist nach wie vor stark gefährdet, gibt es hier doch immer noch große Widerstände von einigen Regierungsdelegationen, besonders auch aus Europa.

Im August 2006 geht die Überarbeitung der Konvention in die achte Runde. Dann wird noch einmal hart gekämpft werden müssen, vor allem für den Erhalt sowie genauen Wortlaut des eigenständigen Artikels. Aber auch für die Einbeziehung der Frauen (bzw. Gender-) Belange in die weiteren relevanten Artikel.

Wie wichtig ein eigenständiger Artikel für Frauen und Mädchen mit Behinderung ist, wurde am Ende der 7. ad-hoc -Sitzung noch einmal von der speziellen Berichterstatterin für die Belange behinderter Menschen in der UN, Frau Sheika Hessa al Thani betont. Sie plädierte weiterhin dafür, dass diese Konvention eine Botschaft an alle Kulturen der Welt sein solle, Diskriminierungen, und hier speziell die von Frauen sowie Kindern mit Behinderung, zu beenden und dass Gerechtigkeit und Fairness die Leitprinzipien sein sollen.



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