Angebote von 1998 bis heute

Frauen mit Behinderung machen seit rund 40 Jahren auf die desolate Versorgungslage aufmerksam. Aus der Not heraus ergriffen sie selbst, die Netzwerke behinderter Frauen bzw. ein Behindertenverband die Initiative.

Frauen mit Behinderung machen seit rund 40 Jahren auf die desolate Versorgungslage aufmerksam. Aus der Not heraus ergriffen sie selbst, die Netzwerke behinderter Frauen bzw. ein Behindertenverband die Initiative.

Gemeinsam mit engagierten Gynäkologinnen und zum Teil mit Unterstützer_innen aus der Politik setzten sie sich für die Errichtung von barrierefreien gynäkologischen Angeboten ein.

Von den ersten Treffen bis zur Eröffnung des Angebots vergingen von eineinhalb bis zu sieben Jahren. Die Barrierefreiheit bezog sich in erster Linie auf Angebote für mobilitätseingeschränkte Frauen und Mädchen. Inzwischen wurden die Angebote zum Teil für Frauen und Mädchen mit Lernschwierigkeiten, in einem Fall auch für Frauen und Mädchen mit einer Sinnesbeeinträchtigung erweitert.

Durch dieses meist ehrenamtliche Engagement konnten seit 1998 folgende Praxen oder Ambulanzen eröffnet werden:

  • 1998 pro familia Frankfurt
  • 2007-2019 Dachau (Ambulanz)
  • 2009 (nach Umbau) Berlin
  • 2009-2019 Erlangen (Ambulanz)
  • 2011 Bremen

In 2019 wurde die Ambulanz in Dachau jedoch aufgelöst, im gleichen Jahr fiel der Hebelifter in Erlangen weg.

Dennoch gibt es Nachteile

So wichtig die hart erstrittenen Angebote auch sind, sie haben dennoch ihre Nachteile.

  • Die Sprechstundenzeiten sind zumeist auf ein paar Stunden alle ein oder zwei Wochen beschränkt.
  • Eine freie Wahl der Ärztin oder des Arztes ist nicht möglich (mit Ausnahme von Bremen, dort stehen derzeit immerhin sieben Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung).
  • Bei 5 Angeboten in ganz Deutschland ist die Ambulanz oder Praxis meist wohnortfern, ein Aufsuchen derselben oft mit stundenlangen Fahrten verbunden.
  • Die Kostendeckung ist auch aufgrund der Vergütungsregelungen nicht gegeben, die Arbeit wird von Ärztinnen und Ärzten aber auch Fachpersonal somit zum Teil ehrenamtlich geleistet.

Ein Zustand, der für die gynäkologische Versorgung von Mädchen und Frauen ohne Behinderung unvorstellbar wäre.

Darüber hinaus gibt es gynäkologische Praxen, die zumindest in einigen Bereichen barrierefrei sind.

Allerdings geht aus den Angaben in entsprechenden Verzeichnissen meist nicht eindeutig hervor, wie umfassend die Barrierefreiheit verstanden wird, ob zum Beispiel der gynäkologische Stuhl barrierefrei ist, nicht aber die Toilette oder der Haupteingang.

Auch wird in den Verzeichnissen oftmals nicht zwischen unterschiedlichen Behinderungsarten unterschieden. So ist nicht zu erkennen, ob eine Praxis, die für mobilitätseingeschränkte Frauen zumindest teilweise nutzbar ist, auch für blinde, gehörlose Frauen und Mädchen oder für Frauen und Mädchen mit einer Lernschwierigkeit (sogenannte geistige Behinderung) geeignet ist.

Auch beruhen diese Angaben meist auf Selbstauskunft der Praxen.

Es kommt gar nicht so selten vor, dass sich die Angabe der Barrierefreiheit vor Ort als nicht ganz zuverlässig herausstellt, das Aufsuchen der Praxisräume oder die Untersuchung als solche doch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, wenn nicht sogar gänzlich unmöglich.

Für Frauen und Mädchen mit Behinderung ist der Besuch einer Praxis zum Teil mit einem hohen Zeit- und Organisationsaufwand verbunden (Fahrdienst, Assistenzperson …). Ein „Durchprobieren“ als barrierefrei angegebener Praxen ist somit keine Option.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass eigentlich barrierefreie Praxen in der Arztauskunft nicht als solche angegeben werden – der oftmals gegebene zeitliche Mehraufwand für die Behandlung von Frauen und Mädchen mit Behinderung wird bislang nicht ausreichend vergütet, Frauen und Mädchen mit Behinderung sind daher als Patientinnen unerwünscht.

Zum Nachlesen

Abschlussbericht zum Vorhaben „Evaluation von Spezialambulanzen und gynäkologischen Sprechstundenangeboten zur gynäkologischen und geburtshilflichen Versorgung von Frauen mit Behinderung" der Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Arbeitsgruppe 7 – Umwelt und Gesundheit, Prof. Dr. Hornberg, Claudia et al (2019), Bielefeld:



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